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Mein Klient war ein Jugendfuehrer, der in einem Heim eine Gruppe
verwahrloster 12- bis 15jaehriger betreut hatte. Erst als er schon ein
halbes Jahr dort war, gab er dem Wunsch von drei Jungen nach intimer
Zaertlichkeit nach; er streichelte ihre nackten Koerper, wenn er zu
ihnen in den Schlafraum kam, um ihnen Gute-Nacht zu wuenschen, und
beruehrte dabei auch ihren Penis.
Er machte daraus kein Geheimnis, diskutierte es sogar mit seinen
Kollegen, so dass die Leitung ueber das, was da vorging, durchaus
informiert war. Zunaechst hatte niemand Einwaende dagegen. Spaeter
jedoch kam es zu Misshelligkeiten wegen ganz anderer Dinge, und dann
wurde er entlassen. Das verursachte unter den Jungen einen
regelrechten Aufstand. "Endlich hatten wir mal einen guten Erzieher,
und nun jagen sie ihn davon!" Da die Anstaltsleitung seine Entlassung
staerker begruenden musste, erstatte man Anzeige gegen ihn bei der
Polizei wegen "unzuechtigen Verhaltens". So stand er also jetzt vor
Gericht. Ich machte dem Richter klar, dass diese Jungen nach Zuneigung
geradezu gehungert haetten, da sie als Kinder von seiten ihrer Elternnicht viel Zaertlichkeit erfahren hatten, folglich sei das Verahlten
meines Klienten durchaus angebracht und empfehlenswert gewesen.
"Aber", unterbrach mich der Richter an dieser Stelle, "dabei hatte er
doch dann Lustgefuehle!"
Nun sind fuer Juristen Lustgefuehle stets etwas Schreckliches, denn
sie machen eine Handlung zur Unzucht. Dem Arzt, der einen nackten
Koerper beruehrt, um ihn zu untersuchen, wird unterstellt, dabei keine
Lust zu verspueren; solange das zutrifft, bleibt er strafrechtlich
unbehelligt. Wer aber Freude hat an der Beruehrung eines nackten
Koerpers, der nicht derjenige seiner rechtmaessigen Ehefrau ist, macht
sich der Unzucht schuldig. Der Richter erwartete daher, dass ich als
Verteidiger die behaupteten Lustgefuehle meines Mandanten energisch
ableugnen wuerde, dass es dafuer also keinerlei Beweise gebe. Statt
dessen erwiderte ich: "Gott sie Dank ja, Herr Richter!"
Grosses Erstaunen. Dann die Frage des Richters: "Wie meinen Sie das?"
Ich erlaeuterte daraufhin, dass Kinder eine besonders feine Intuition
besaessen. Bekaemen sie den Eindruck, dass ein Erzieher sie lediglich
pflichtgemaess uebers Haar streichele, kuesse, liebhabe, nur weil das
so Vorschrift sei, dann sei ihnen so ein Verhalten zuwider. Das
bedeutete fuer sie fast eine Beleidigung. Was ein Streicheln zu einem
Streicheln, Zaertlichkeit zu wahrer Zaertlichkeit macht, ist genau
diese intuitive Sicherheit, dass derjenige, der zaertlich ist, das
Glueck dieser Zaertlichkeit auch persoenlich bei sich erlebt."