Allein der Schutz der individuellen sexuellen Selbstbestimmung und der freien Entfaltung der Persönlichkeit kann die Behandlung der Sexualität im Strafrecht rechtfertigen. Daher müssen dort die folgenden Grundsätze gelten:
Das Ziel des Strafrechts muß der Schutz des Schwächeren vor Ausnutzung seiner schwächeren Position durch den Stärkeren sein. Da es praktisch keine Partnerbeziehung zwischen genau gleichstarken Persönlichkeiten gibt, kann eine sexuelle Handlung nicht schon deshalb strafbar sein, weil einer der Beteiligten der Schwächere ist. Strafwürdig ist in keinem Fall die sexuelle Handlung an sich, sondern ausschließlich der Verstoß gegen die Einvernehmlichkeit. Daher darf das Strafrecht nicht in eine einvernehmliche sexuelle Beziehung eingreifen. (Dies könnte durch eine Umwandlung vom Offizial- zum Antragsdelikt erreicht werden.)
Diesen Grundsätzen wird das bestehende Sexualstrafrecht nicht gerecht. Es bedarf daher einer umfassenden Revision. Damit diese von einer breiten Mehrheit akzeptiert werden kann, müssen die gesetzgeberischen Schritte Hand in Hand mit einem Bewußtseinswandel in der Bevölkerung gehen. Hierzu ist eine gründliche Aufklärung, unter anderem durch einen vorurteilsfreien Sexualkundeunterricht, unerläßlich.
Darüber hinaus scheint es äußerst fragwürdig, wenn im Strafrecht der Mißbrauch von Abhängigkeitsverhältnissen zu sexuellen Handlungen anders behandelt wird als sonstiger Mißbrauch. Jeder Mißbrauch von Abhängigkeitsverhältnissen muß nach gleichem Maßstab behandelt werden. (in Leopardi 1988)