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Erziehung zur sexuellen Selbstbestimmung

Sexuelle Selbstbestimmung bedeutet, daß das Kind das Recht hat, über seinen Körper selbst zu bestimmen.

Das Kind hat das Recht, ihm unliebsame sexuelle Kontakte mit Erwachsenen ohne Begründung abzulehnen, egal wie gering diese Kontakte auch sein mögen (Küssen, Streicheln über den Kopf, Hereinkommen ins Badezimmer).

Erziehung zur sexuellen Selbstbestimmung bedeutet allerdings mehr. Der Grund für das Kind, nicht zuzustimmen, ist nicht der sexuelle Charakter dessen was passiert, sondern der eigene Wille des Kindes. Damit schützt die Erziehung zur sexuellen Selbstbestimmung nicht vor Kontakten, die vom Kind selbst gewünscht werden.

Sexuelle Selbstbestimmung schützt vor lediglich vor der weit gefährlicheren Art sexueller Kontakte mit Erwachsenen - den vom Kind nicht erwünschten Kontakten.
Bei der Frage, ob, wieweit und mit welcher Begründung freiwillige Kontakte eingeschränkt werden sollten, scheiden sich normalerweise die Geister. Ich möchte hier folgende Argumente anführen, die dafür sprechen, wenigstens in einem gewissen Rahmen (sagen wir altersentsprechende Kontakte) dem Kind dieses Recht zu gewähren:

Für diese Art Kontakte sollte die Lage somit ganz klar sein: Es ist das Kind, was entscheidet, ob oder ob nicht, und es muß keinerlei Begründung dafür liefern, warum es "ja" oder "nein" sagt.

Grenze zwischen erlaubtem und unerlaubtem Sex

Die Frage ist natürlich, ob und wo man die Grenze setzt zwischen Kontakten, die man bei Zustimmung des Kindes akzeptiert, und solchen, bei denen man trotz Zustimmung des Kindes eingreift. Dies sollte man davon abhängig machen, was man für gefährlich und was man für ungefährlich hält. Man sollte sich somit genauer über mögliche Schäden informieren, bevor man sich entscheidet.

Es scheint mir wichtig, daß man eine Begründung dafür hat, daß man seinem Kind gewisse freiwillige Sexualkontakte verbietet.

Ich persönlich würde die Grenze erst bei Sexualkontakten ziehen, bei denen eine reale Gefahr für Schwangerschaft oder Ansteckung besteht. Dieser Standpunkt steht allerdings im Widerspruch zur aktuellen Gesetzgebung und kann somit zu Konflikten mit dem Gesetz führen, wenn sich das Kind für eine Safer-Sex-Beziehung mit einem Erwachsenen entscheidet.

Unabhängig von Ihrer Entscheidung bezüglich dieser konkreten Grenzziehung, die ihnen keiner abnehmen kann, sollte es jedoch einen (möglichst großen) Bereich geben, in dem das Kind frei entscheiden kann.

Alternativen

Die Alternativen wären entweder, gewisse geringfügige Kontakte (Zärtlichkeiten) auch gegen den Willen des Kindes zu tolerieren (leider immer noch häufig Realität), oder eine noch prüdere Gesellschaft, in der selbst diese Art von Kontakten kriminalisiert wird (hier bewegen wir uns leider hin).

Oft propagiert wird die Unterscheidung zwischen "guten" und "schlechten" Berührungen ("good touch - bad touch"). Dies scheint mir ein Beispiel für Bemühungen in dieser Richtung zu sein.

Sicherlich kann man sagen, eine "gute Berührung" ist eine, die das Kind wünscht, und eine "schlechte" die, die es nicht wünscht. Dann wäre es eine Variante der Erziehung zur Selbstbestimmung. Dies scheint mir allerdings nicht das Ziel zu sein. Im Gegenteil, schon die Bezeichnung assoziiert, daß es sich bei "gut" oder "schlecht" um eine Eigenschaft der Berührung selbst handelt, die nicht allzu viel mit der Beziehung des Kindes dazu zu tun hat.

Zumindest wird die sexuelle Selbstbestimmung des Kindes dadurch verwischt. Die Gefahr besteht, daß das Kind lernt, sexuelle Berührungen als "schlecht" anzusehen, was negative Auswirkungen auf das spätere Sexualleben haben kann.

Weitere Aussagen

Baurmann 1983, S. 276]

Wenn man das Kind aber vor dem oftmals gewalttätigen Sexualstraftäter aus dem Bekannten- und Verwandtenkreis schützen will, dann ist dies wohl nur über Erziehung zur sexuellen Selbstbestimmung, also durch eine Erziehung zu selbstbewußtem Verhalten möglich. Ein Kind hingegen, welches erzogen wird zum blinden Gehorsam gegenüber vertrauten Erwachsenen, hat nicht gelernt, sich fragwürdigen Forderungen bekannter Autoritäten zu widersetzen bzw. ihnen aus dem Weg zu gehen. Und das macht ein solches Kind gerade opferanfällig. Wir haben es dann mit einem anerzogenen Opferverhalten zu tun. Paradoxerweise war das dazu beitragende Erzieherverhalten ursprünglich wohl "opferschützend" gemeint. Geschützt wird dieses potentielle Opfer damit aber nur vor Außenkontakten, nicht aber vor sexueller Gewalt. Denn die sexuelle Gewalt spielt sich in einem näheren sozialen Umfeld ab, als wir es gemeinhin wahrhaben wollen.