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Christian J.

Aus Goyke & Schmidt 1998

"Am 16.9.1996 drehte der Beschuldigte [] mit dem 16-jährigen T. Sch. und den 15-jährigen Christian J., M.-C. G. und C.K.M.. Auf seine Anweisung hin mußten die Jugendlichen verschiedene Sex-Spiele machen, die er dann filmte ..."

Die vier Jungen, die verschiedene Sex-Spiele machen mußten, sind Opfer des Beschuldigten. [] Sie, die vier Opfer, waren am 16.9.1996 in Techentin bei jenem Geschehen dabei, von dem es im Observationsprotokoll lapidar heißt: "18:10 Zugriff durch ZEG/Festnahme der ZP." Allerdings, so scheint es, bedeutete ZP nun plötzlich Zielpersonen. Dazu berichtet der mittlerweile 16jährige Christian J. am 1.8.1997 in einem Interview mit den Autoren das Folgende:

Wie hast du die Verhaftung von Bleisch und also kurzzeitig deine eigene erlebt?

[] da kam dann die ganze Polizei, als wir am Tor ankamen. Was heißt die ganze Polizei, das waren vier, fünf Mann vielleicht. Und wir mußten alle gleich auf den Boden, und die richteten gezogene Pistolen auf uns."

Ihr mußtet auf den Boden?

"Wir mußten auf den Boden und Norbert auch. Die haben mit gezogener Pistole gesagt, alle auf den Boden."

Wohin haben sie die Pistolen gerichtet?

Auf uns. Das waren bestimmt keine Schreckschußpistolen. Ich hab mich erstmal mit den Händen abgestützt, weil ich eine weiße Hose anhatte, und das war so roter Boden, der natürlich gleich in die Klamotten reingeht. Dann kam einer zu mir und sagte: Leg dich auf den Boden, und zielte mit der Waffe auf mich. Dann hab ich mich auf den Boden gelegt und die Hände auf den Rücken genommen. Dann hatten sie nicht genug Handschellen dabei. Einige lagen noch ohne Handschellen auf dem Boden. Die mußten dann noch ein bißchen länger da liegen, während wir uns schon hinstellen konnten in Handschellen auf dem Rücken. Und dann hatten sie uns noch gefragt, ob wir lieber die Plastehandschellen wollen, die hätte man nachher durchschneiden müssen, oder ob wir zu zweit an eine wollen. Da haben wir gesagt, lieber zwei an eine Handschelle, und so haben sie uns dann in den VW-Bus gebracht.

[] mit denen sind wir dann nachher nach Ludwigslust zur Polizeistation. Drei kamen in die Zellen, weil sie nur drei Zellen hatten. Ich durfte gleich neben dem Pförtner auf einem Stuhl sitzen, die Handschellen an einem Kleiderständer festgemacht, die da an der Wand hängen, aus Metall, noch aus DDR-Zeiten. Das hat dann drei oder vier Stunden gedauert. Und dann durfte ich nachher irgendwann mal zum Verhör hoch. Als ich einen Polizisten mal nach einer Zigarette gefragt habe, sagte der, das kann ich nicht machen. Und als ich den nächsten nach einer Zeitschrift gefragt habe, erhielt ich die pampige Antwort: Wir sind hier nicht im Hotel. Ich dachte, was habe ich jetzt bloß verbrochen? Aber als ich dann erfahren habe, daß ich als Zeuge da bin - schönen Dank auch.

Wie ging das dann weiter nach der Aktion mit der Zigarette und der Zeitung bei der Polizei in Ludwigslust und wie lange dauerte das?

"Ja, also erstmal kam ich in einen Raum, wo sie mich durchsuchten. Also richtig Leibesvisitation, mit Slip runter und so, als ob sie da irgendwas suchten."

Und was haben sie dann gemacht?

"Angefaßt haben sie mich nicht. Sie dachten vielleicht, daß wir uns was in den Slip gesteckt haben. Wir mußten uns alle ausziehen."

Alle nebeneinander oder jeder einzeln?

"Jeder einzeln. Dann wurden Addressen und Telefonnummer aufgenommen. Dann kam ich wieder zum Pförtner zurück und mußte wieder warten. Irgendwann durfte ich dann hoch. Nach drei, ziemlich dreieinhalb Stunden. Und ich hatte richtige Abdrücke von den Handschellen. Zumal das keine Handschellen mit Ketten waren, sondern die mit nur zwei Gelenken. Nicht schön.


"Ich habe nur dazugelernt. Gerade in sexuellen Dingen bin ich viel lockerer geworden eigentlich. Ich respektiere auch viel mehr. Nicht, daß ich schwul bin, aber ich verstehe die Leute einfach. Das ist heute eine wesentlich bessere Situation, in der ich mich befinde"


Christian J. berichtet über den ersten Drehtag, an dem vier Jugendliche, alle aus seiner Clique, und Norbert Bleisch selbst beteiligt waren.

Das war für dich das erste Mal mit anderen Jungen?

"Ja, ja. Das ist ne Überwindung, aber wenn man erst mal soweit ist, denn schadet's einem auch nicht. So wie die Zeitungen zum Beispiel berichtet hatten, teilweise haben welche seelische Schäden, das kann ich mir absolut nicht vorstellen. Denn ich hab eigentlich eher dazugelernt, als das ich irgendwelche Schäden davongetragen hätte.

Christian J [] machte da von seinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern. Am 25. September 1996 wird er in Schwerin von Kriminalkommissar Mähler zum zweiten Mal vernommen. Diesmal sagt er aus, um nicht unbedingt vor Gericht zitiert zu werden.