Der nachfolgende Beitrag stammt von Volker Beck, der f�r das "Schwulenreferat" der Gr�nen im Bundestag zust�ndig ist.
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[S.260:] Der Sonderausschu� des Deutschen Bundestags hatte 1973 bei der Vorbereitung des 4. Strafrechts�nderungsgesetzes versucht, seiner Arbeit eine rationale Er�rtrung der Problematik zugrunde zu legen. Angesichts der Bedenken der geladenen Experten hinsichtlich der Behauptung, gewaltlose p�dosexuelle Erlebnisse st�rten die sexuelle Entwicklung eines Kindes, verpflichtete sich der Sonderausschu� mit seiner Definition des zu sch�tzenden Rechtsgutes als der "ungest�rten sexuellen Entwicklung des Kindes" immerhin einer sachlichen Argumentation. Allerdings hat der Sonderausschu� sich selbst bei seinen Vorschl�gen nicht daran gehalten und sich wieder besseres Sachverst�ndigenwissen f�r eine generelle Strafbarkeit der Sexualit�t mit Kindern entschieden.
Obwohl dieser Ansatz einer rationalen Auseinandersetzung mit dem Problem der P. 176 nicht gleich zum Erfolg f�hrte, scheint er mir der einzige Ausgangspunkt f�r eine tats�chliche Verbesserung der rechtlichen Situation der P�dophilen.
[S. 261-262:] J�ger hat recht, wenn er meint, da� es am aussichtsreichsten ist, die politische Diskussion zu f�hren, indem man die Reform an dem mi�t, was die Reformer sich vorgenommen hatten. Hierzu formulierte er sieben programmatische Thesen, von denen ich vor allem die ersten sechs - hier im Wesentlichen wiedergegeben - ma�geblich f�r eine reformistische Sexualstrafrechtspolitik halte:
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[S. 263:] Man wird nicht umhin k�nnen, sich bei dieser Diskussion mit den Argumenten der Frauenbewegung auseinanderzusetzen und die Perspektive der Feministinnen, die oft auch durch fr�he sexuelle Kontakte mit V�tern und Onkeln traumatisch gef�rbt ist, ernstzunehmen.
Als Etappenziel kann hier nur eine Versachlichung der Diskussion um das problem der P�dosexualit�t vorgeschlagen werden. Als strafrechtliche Perspektive w�re hier z.B. eine Novellierung ins Auge zu fassen, die einerseits das jetzige "Schutzalter" von 14 Jahren zur Disposition stellt (in den Niederlanden gab es solche Initiativen mit erheblichem Erfolg!) oder auch eine Strafabsehensklausel. Eine Diskussion um eine solche Reform des P. 176 w�rde sicherlich einem entkrampfteren und weniger angstbesetzten Klima den Weg bahnen. Eine Strafabsehensklausel, w�re sie durchgesetzt, w�rde eine tats�chliche Auseinandersetzung vor Gericht, und, wenn die Bewegung stark genug ist, in der �ffentlichkeit um die Frage einer eventuellen Sch�digung eines Kindes durch sexuelle Kontakte mit einem Erwachsenen erm�glichen. Wer jetzt einwendet, da� man die Gerichte kenne und dort der Fortschritt nicht gerade Urst�nd feiert, hat sicher recht, aber die Alternative sieht nicht besser aus: Ein Vertrauen darauf, durch noch so starken �ffentlichen Druck eine Mehrheit f�r eine Streichung des Sexualstrafrechts im Parlament zu erhalten, scheint reichlich naiv.
Immerhin - und das macht langfristig Hoffnung auf ein "Ref�rmchen" auch gerade beim P. 176 StGB - hat der Sonderausschu� des Bundestages damals gerade f�r diesen Paragraphen eine erneute parlamentarische Diskussion f�r den Fall in Aussicht gestellt, da� sich die jetzige Definition des zu sch�tzenden Rechtsgutes sexualwissenschaftlich nicht mehr halten lasse. Wer f�r die Lebens- und Rechtssituation der p�dophilen Menschen etwas erreichen will, mu� diese Diskussion mit Aufkl�rung und Entmythologisierung vorbereiten, eine blo�e Ideologisierung der Gegenposition zum Sexualstrafrecht kann hierin ihres realpolitischen Mi�erfolgs sicher sein.
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[S.266:] Eine Entkriminalisierung der P�dosexualit�t ist angesichts des jetzigen Zustandes ihrer globalen Kriminalisierung dringend erforderlich, nicht zuletzt weil sie im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grunds�tzen aufrechterhalten wird.
[S. 268:] Auch wenn das Strafrecht als ultimo ratio hier nicht das geeignet Mittel ist, mu� zumindest eine Antwort auf den von den Feministinnen artikulierten Schutzbedarf des Kindes, insbesondere des M�dchens, gefunden werden. Bevor dies nicht der Fall ist, wird ein unaufrichtiges Kinderbild, das die uneingeschr�nkte F�higkeit zu einvernehmlicher Sexualit�t (auch f�r das Kleinkind?) einschlie�t, einem mythischen Kinderbild gegen�berstehen, das von einer generellen Unf�higkeit zu sexueller Selbstbestimmung und einer generellen Traumatisierung durch sexuelle Erlebnisse beim vorpubert�ren Menschen ausgeht. Auf beiden Seiten Irrationalit�t, auf beiden Seiten Schielen auf Populismus statt sachgerechter Auseinandersetzung.