[] Als Grundlagenliteratur betrachte ich M�hle, Widl�cher und Richter.
Wie im einzelnen zu zeigen ist, geht es nun bei den Versuchen der diagnostischen Interpretation kindlicher Zeichnungen im Kontext der aktuellen Literatur �ber sexuellen Mi�brauch weniger um die unmittelbar betrachtbaren Darstellungen, es wird vielmehr eine "tieferliegende Enth�llung" erwartet, n�mlich durch den offensichtlichen Sinn einer Botschaft hindurch einen zweiten Sinn entdecken zu wollen, f�r den es nur den Schl�ssel zu finden gelte, um etwa ein Mi�brauchserlebnis aufzudecken.
Sp�testens Baumgardt f�hrt die Kinderzeichnung als "Tatsachenbeweis" in die Debatte ein und zwar im Sinne der indirekten Offenbarung tats�chlicher Ereignisse auf dem Wege der Zeichnung und zwar unter der gedachten Voraussetzung, da� die M�glichkeit der lautsprachlichen Offenbarung verstellt ist.
Ob aus der Art der Darstellung eines Kindes dieses Alters ersichtlich werden kann, wie es das einzelne Familienmitglied oder eben die ganze Familie und deren Beziehungen untereinander erlebt und erfa�t, ist fragw�rdig, denn es m��te belegt werden - was hier logisch zwingend vorausgesetzt ist -, da� bereits bei Beginn des Zeichenakts eine r�umlich-kompositionelle Ordnung intendiert wurde.
Baumgardt: "[] Sie stellt die Zerrissenheit der Familie u.a. dadurch dar, da� sie jedem Familienmitglied ein eigenes Blatt zuordnet."
Elisabeth kann viele Gr�nde gehabt haben, die Familie so und nicht anders zu zeichnen. [] Genauso umstandslos [] k�nnte man nat�rlich auch die Aussage formulieren: Jeder in der Familie hat seinen Platz.
[] Baumgardt: "Rot ist immer Ausdruck starker Emotionalit�t" [] "Violett als Mischfarbe von Rot und Blau - dies sind von ihrem Symbolgehalt her zwei gegens�tzliche Farben - weist auf eine vers�nliche Extreme vereinigende Haltung hin."
An anderer Stelle hei�t es: "Schwarz ist keine kindert�mliche Farbe; wenn sie vom Kind trotzdem verwendet wird, dr�ckt es damit seine innere Not von Angst und Traurigkeit aus."
Neben dem hier durch nichts belegten "Symbolgehalt" von Farben erstaunt die Gewi�heit, mit der eine solche Feinheiten intendierende Farbwahl von Kindern unterstellt wird. Eine derartige "Symbolwahl" konnte in den wissenschaftlichen Untersuchungen zu Kinderzeichnungen nie best�tigt werden.
Symbolisch sollen nicht nur die Farben, sondern auch die Zahlen sein. Die Vaterfigur habe neun "Haare". Die Neun (3 x 3) dr�ckt in der Symbolik der Zahlen allgemein die dynamische Kraft aus. Wieso [] bleibt von der Autorin unerl�utert. Hat hier ein mathematisch Unbewu�tes den Stift gef�hrt?
Und auch "Nicht-Gezeichnetes" ist f�r Baumgardt ohne weitere Begr�ndung bedeutsam: Ein fehlender "rechter Arm" dr�ckte Angstbesetztheit durch das Kind aus, ein fehlender "Bauchnabel" bedeutete, da� die Zone des v�terlichen Bauchnabels als emotional gef�hrlich erlebt werde!
[] In der immer wieder abgesetzten Strichf�hrung bei der roten Linie dr�ckte Elisabeth ihre Hemmung und ebenso ihre Angst vor dem Dargestellten aus. Da� Kinder dieses Alters meist einfach noch motorische Schwierigkeiten haben, eine Linie "unabgesetzt" zu zeichnen, kommt gar nicht erst ins Gesichtsfeld.
Die besondere Problematik dieser Falldarstellung liegt darin, da� die absurde und durchg�ngig unbegr�ndete Konstrukthaftigkeit der Interpretationen Baumgardts der j�ngeren Literatur �ber sexuellen Mi�brauch vielfach als Vorbild gedient hat und dort kritiklos �bernommen wurde.
So bezieht sich etwa Raack (in: Enders) in ihrem Literaturverzeichnis und auch inhaltlich auf Baumgardt. Sie stellt den Fall der vierj�hrigen Heike und zwei von ihren Zeichnungen vor, in denen die Mi�brauchsproblematik deutlich zu erkennen sei.
Folgt man M�hle, so handelt es sich bei Bild 1 um eine Zeichnung auf Kritzelniveau mit Tendenz zur Formenreduktion.
Die Gutachterin sieht in dieser Zeichnung gewisserma�en eine "Profilaufnahme", die im Sinne einer "Ausschnittsvergr��erung" kopulationsbeteiligte K�rperteile darstellen. Sie unterstellt dem Kind hier umstandslos eine zeichnerische Kompetenz, die eher auf dem Niveau einer reifen Karikatur liegen d�rfte.
Stutzig werden kann man bei Bild 2, das angeblich in der Untersuchungssituation von Heike gemalt worden ist. Zu Bild 1 besteht ein zeitlicher Abstand von maximal drei Monaten. In den dicken, groben Strichen von Bild 2 ist das Verharren auf dem Kritzelniveau zu erkennen; [] Auff�llig abgesetzt dagegen sind die feinstrichigen Elemente in der Zeichnung, n�mlich Sonne, Stern und Teile der Figur.
Zwischen beiden Zeichenniveaus liegen "Welten". [] Gradlinigkeit und Winkligkeit der angesetzten Beine verweisen auf eine Zeichenkompetenz weit jenseits des Niveaus von Bild 1. []
Als authentisch im Sinne gleicher Autorenschaft von Bild 1 und Bild 2 k�nnen nur die grobz�gigen Kritzelbestandteile angesehen werden. [] Es wurde bei Bild 2 eine verf�lschende Erg�nzung vorgenommen, die die bei Raack diskutierte Sinngebung erst konstituiert.