Über den Erfolg vorbeugender Erziehung von Vorschulkindern liegen erst relativ wenige Untersuchungen vor. Doch liefert eine davon, die über einen Zeitraum von zwei Jahren sieben Vorschulprogramme in Kalifornien ausgewertet hat, umfangreiches Datenmaterial und detaillierte Resultate. Getestet wurden 118 dreieinhalb- bis fünfjährige Kinder vor und nach der Teilnahme an Vorbeugunskursen [].
Die Ergebnisse zeigen, daß Vorschulkinder nur eine vage Vorstellung haben vom Zusammenhang zwischen dem physischen Akt des Berührtwerdens und den daraus resultierenden Emotionen. [] die Studie [kommt] zu dem Schluß, daß die von den Programmen vermittelten Lernerfolge äußerst gering und nur in wenigen Fällen überhaupt statistisch signifikant zu erfassen sind.
Dieses Ergebnis wurde von einigen anderen Untersuchungen bestätigt. []
Ausgehend von einer landesweiten representativen Stichprobe von 2000 Kindern stellt Finkelhor (1993) fest, daß Teilnehmer an den ausführlichsten Präventivprogrammen über vorbeugende Maßnahmen gegen sexuellen Mißbrauch am besten informiert sind und "wenns drauf ankommt, richtiger handeln". Tatsächlich war der Informationsstand bei den Absolventen der ausführlichsten Lehrgänge am höchsten, der Unterschied zu den Vergleichsgruppen aber äußerst gering - wenn auch statistisch signifikant. Auf einer 16-Punkte-Skala erreichten sie einen Durchschnittswert, der einen halben Punkt (13,3 zu 12,8) über dem der Kinder lag, die nie einen solchen Lehrgang besucht haben. (Gleichzeitig aber erzielten die "Unbeschulten" einen knapp höheren Punktewert im Vergleich zu Teilnehmern an Kursen, die als weniger ausführlich eingestuft wurden.)
Damit kommen wir zum nächsten Punkt, nämlich zur Frage der praktischen Umsetzbarkeit des Erlernten in alltäglichen Situationen. [] Eine kritische, Faktoren wie Alter und Geschlecht berücksichtigende Prüfung der Studie ergibt, daß die Daten bezüglich aller mißbrauchten und von Mißbrauch bedrohten Kinder keine statistisch signifikanten Unterschiede aufweisen, was den Vergleich der Verhaltensweisen zwischen minimal oder gar nicht vorbereiteten Kindern und denjenigen angeht, die besonders ausführlichen Programmen unterzogen wurden. [] Wie die Daten belegen, [konnten] unvorbereitete Kinder in der erfolgreichen Mißbrauchsverhinderung sogar geringfügig besser abschneiden [] als Kinder mit minimaler oder ausführlicher Vorbeugeerziehung.
Deutlichere und statistisch signifikante Unterschiede zeigen sich jedoch bei anderen Folgevariablen. Während die Times davon spricht, daß vorbereitete Kinder aufgrund entschlossener Gegenwehr im Falle des Mißbrauchs "ein minimal höheres Risiko" einer Verletzung eingehen, belegen die Daten, daß nicht weniger als 15% dieser Kinder tatsächlich verletzt wurden, was einer Quote entspricht, die dreimal höher liegt als bei nicht vorbereiteten Kindern.
Die von Finkelhor und seinen Kollegen ermittelten Resultate hinsichtlich der Verletztenquote bei Kindern, die an ausführlichen Präventivprogrammen teilgenommen haben, bringen uns abschließend auf das Thema der unbeabsichtigten Konsequenzen. Wie schon bemerkt, bleibt ungewiß, wie sich Programme zur Vorbeugung sexuellen Mißbrauchs langfristig auswirken auf die Einstellungen und Gefühle von Kindern hinsichtlich ihrer sich entwickelnden Sexualität. Als unmittelbare Folge ist, wie mehrere Studien belegen, auszumachen, daß fünf bis 35% der Eltern bei ihren Kindern negative Veränderungen bemerken wie beispielsweise Schlaflosigkeit und Angstzustände nach der Teilnahme an einem Präventivprogramm. []
Zusammenfassend sei gesagt: Die Erfahrungen in den Vereinigten Staaten raten ab von der einseitigen Förderung von Programmen, die die Kinder zur Selbstbehauptung anzuleiten versuchen, und empfehlen statt dessen, andere Präventivmaßnahmen zu erforschen [].