[Base] [Index]

Kentler H.

T�terinnen und T�ter beim sexuellen Mi�brauch von Jungen

in Rutschky, Wolff (ed.), Handbuch sexueller Mi�brauch, Klein, Hamburg, S.143-156 (1994)

Ausz�ge

Seit den gr�ndlichen Untersuchungen der "Wilden Kinder" - ich nenne nur Victor von Aveyron und Kaspar Hauser - wissen wir, da� die Sexualit�t nicht aus einer Naturanlage entsteht, vielmehr ist Sexualit�t wie die Sprache ein Kulturprodukt und also ein Ergebnis von Lernprozessen. Die Kinder stummer Eltern bleiben stumm, wenn keine anderen Bezugspersonen hinzukommen, sie ansprechen, mit ihnen reden, sie in Dialoge, in sprachliche Kommunikation verwickeln. Ebenso m�ssen Kinder sexuell gereizt werden, mu� ihnen sexuelle Kommunikation erm�glicht werden, damit bei ihnen die Sexualit�t entstehen und sich entwickeln kann. Seit den gr�ndlichen Untersuchungen von Rene Spitz wissen wir, da� die Mindestvoraussetzungen f�r die "Sexualisation" intensive, warme K�rperkontakte, Streicheln, Kuscheln und eine ausgiebige Reinlichkeitsprozedur sind.

Kinder sind bereits fr�h zu sexuellen �u�erungen f�hig. Schon im Mutterleib sind bei Jungen Erektionen beobachtet worden. Jungen haben, wenn sie geboren werden, oft einen erigierten Penis. Als ich vor drei�ig Jahren in D�rfern Siziliens das Erziehungsverhalten der M�tter studierte, stellte ich fest, da� sie w�hrend des S�ugens das Glied ihres Bambinos kitzelten. Alt ich nach dem Grund fragte, waren sie erstaunt, da� ich so etwas Bl�des fragen konnte - dann meinten sie, ob ich keine Augen h�tte, es sei doch wohl nicht zu �bersehen, da� Jungen viel gieriger saugen, wenn ihr Penis z�rtlich behandelt wird. Das gierige Saugen mochten die Frauen, denn es verschaffte ihnen orgastische Empfindungen.

Wie Rene Spitz herausgefunden hat, beginnen S�uglinge etwa um die Mitte des ersten Lebensjahres mit K�rperspielen, die er "genitale Spiele" nannte, weil aus ihnen regelrechte Onanie entsteht, sobald die Kinder die dazu notwendigen ausdauernden, koordinierten und gezielten Bewegungen beherrschen. Diese kindliche Masturbation ist ein zuverl�ssiges Kriterium f�r die Qualit�t der Mutter-Kind-Beziehung. []

Kinder sind zum Orgasmus f�hig; Jungen bis zur Pubert�t sind sogar zum multiplen Orgasmus f�hig, also wie M�dchen und Frauen zu wiederholten Orgasmen ohne Ruhepause. Die Vorstellung, Kinder seien unsexuell, reine und unschuldige Engel ist eine Erfindung des 17. und 18. Jahrhunderts.

Mit der Pubert�t geraten Junge unter einen starken Triebdruck. Nicht zu onanieren gilt heute - bei Jungen zumindest - als ein Symptom f�r schwere St�rungen. Bei Jungen, die noch im Pubert�tsalter regelm��ig nachts einn�ssen, kann man eigentlich immer davon ausgehen, da� die Sexualfunktion gest�rt, behindert ist, vielleicht noch gar nicht eingesetzt hat. [] Ich habe in meiner Praxis drei Jungen im Alter zwischen 16 und 19 Jahren kennengelernt, die v�llig asexuell waren trotz intakter Genitalfunktionen; sie waren in einem absolut unsexuellen Milieu, ohne jegliche Sexualreize, aufgewachsen (z.B. pflegte eine der M�tter beim Baden und S�ubern ihres Kindes Latexhandschuhe �berzustreifen, weil sie Hautreizungen vermeiden wollte). Alle drei waren schwer gest�rte Menschen. []

Der familienfremde echte P�derast (unter "echt" verstehe ich hier einen Mann, der seine sexuelle Festgelegtheit kennt, akzeptiert und lebt) braucht im allgemeinen keine Gewalt, auch nicht im Sinne der strukturellen Gewalt, anzuwenden, um zu m�nnlichen Jugendlichen sexuelle Kontakte herzustellen und aufrechtzuerhalten. Es bedarf der Gewalt und des Zwanges nicht. Viele Jungen - niemand wei�, wie viele - machen eine - wie ich das nenne - "homosexuelle Durchgangsphase" durch und sind �ber mehr oder weniger l�ngere Zeiten an mehr oder weniger �lteren Geschlechtsgleichen interessiert, und es gibt zahlreiche andere Jungen, die ich als "Probierer" bezeichnen m�chte. Sie probieren aus, wie es ist, wenn sie auf die sexuellen Angebote eines �lteren Geschlechtsgleichen eingehen.

Von Mi�brauch kann hier nur in wenigen Ausnahmef�llen die Rede sein. Bei p�derastischen Anf�ngern kommt es vor, da� sie einen Jungen durch Geschenke verw�hnen oder da� sie eine Notlage des Jungen ausnutzen. Das ist nicht gut, aber Pers�nlichkeitssch�den m�ssen dadurch nicht entstehen. Ich habe im Gegenteil in der �berwiegenden Mehrheit die Erfahrung gemacht, da� sich p�derastische Verh�ltnisse sehr positiv auf die Pers�nlichkeitsentwicklung eines Jungen auswirken k�nnen, vor allem dann, wenn der P�derast ein regelrechter Mentor des Jungen ist.

Ich bleibe beim familienfremden T�terkreis und mu� mich jetzt mit den P�dophilen besch�ftigen. Hier f�llt vielerlei auf:

  1. []
  2. P�dophile M�nner hatten im allgemeinen eine schwierige und so belastete Kindheit, da� sie in ihrer Pers�nlichkeitsentwicklung behindert und gesch�digt wurden. Eines der Hauptmotive ihrer Zuwendung zu Kindern besteht darin, da� sie Kinder froh und gl�cklich machen wollen; mit den Kindern wollen sie selbst frohe und gl�ckliche Kinder sein und damit ihre eigene schlimme Kindheit gutmachen.
  3. P�dophile M�nner haben - als Folge ihrer Pers�nlichkeitssch�den und Entwicklungsbehinderung - im allgemeinen eine Fehleinstellung zur Sexualit�t: sie wollen eine Sexualit�t, die nichts mit Ausscheidungen, Schwei�, Gestank, Blut und Haaren und - wie ich sie h�ufig sagen h�re - "diesen ganzen Schweinereien" zu tun hat. Ihre Sexualit�t ist unreif, ihre sexuellen Bedurfnisse und W�nsche sind kindliche geblieben, entsprechen daher meist denen der Kinder. Ihre sexuellen Beziehungen bleiben darum im allgemeinen im Rahmen sexueller Spielereien. Viele P�dophile, die ich kennengelernt habe, verschaffen sich orgastische Befriedigung erst, wenn das Kind nicht mehr da ist.
  4. Die meisten Jungen, die in p�dophile Verh�ltnisse zu Familienfremden verwickelt werden, kommen aus Lebensverh�ltnissen, in denen sie ein Liebesdefizit erleiden. Meist holen sie sich bei den M�nnern die Streicheleinheiten, die sie sonst nicht bekommen.

Aus diesen vier Punkten folgt, da� Gewalttaten den echten P�dophilen fremd sind. In den weitaus meisten F�llen ist nur strukturelle Gewalt im Spiel, und Sch�digungen entstehen allenfalls sekund�r: weil das Kind sein Verh�ltnis zu dem Mann verbergen mu�, weil es anderen Kindern entfremdet wird, weil, wenn das Verh�ltnis entdeckt wird, die Eltern, die Vernehmungsbeamten, Gutachter und Richter in einer Weise reagieren, die das Kind sch�digen.

Die P�dophilie ist im allgemeinen eine so differenziert ausgeformte Perversion, da� das Kind zumindest bei P�dophilen, die erfahren sind und ihre Neigung zu Kindern intergriert haben, also bejahen und nicht ablehnen, vor Sch�den bewahrt sind. P�dophile sind im allgemeinen nicht, indem sie sich mit Kindern sexuell befriedigen, Sch�diger oder gar Sch�nder. Ebenso wie Sadisten, die ihren Sadismus bejahen und bewu�t ausleben, hochsensibel gegen Aggressionen, gegen Gewalt und Zwang sind, so sind echte P�dophile hochsensibel gegen Sch�digungen von Kindern.