Die bisher umfassendsten Befragungen zum sexuellen Verhalten von Frau und Mann wurden von Kinsey und seinen Mitarbeitern durchgeführt. 1953 bzw. 1954 erschienen die Ergebnisse dieser Befragungen und hatten weitreichende Auswirkungen auf die Sexualforschung, die Sexualpolitik und die Strafrechtsreform. In den späten 50er und den frühen 60er Jahren gab es kaum eine sexualpolitische Diskussion, bei der nicht Bezug genommen wurde auf die Kinsey-Studien. Man hatte mit Staunen erfahren, wie das (statistisch) durchschnittliche Sexualverhalten der amerikanischen Bevölkerung ist. Manche dieser Ergebnisse kratzten an der puritanischen Fassade jener Zeit. In der Folge wurden ähnliche Untersuchungen auch in Deutschland vollzogen, teilweise auch an selektierten Gruppen.
Bei diesen Querschnittsuntersuchungen zum Sexualverhalten wurden meist auch Fragen zur sexuellen Viktimisation gestellt. Dadurch erhielt man einen Überblick über den Anteil der Bevölkerung, der schon einmal in strafbare Sexualkontakte verwickelt war.
Aus dem Kinsey-Report über "Das sexuelle Verhalten der Frau" wurde deutlich, daß bedeutend mehr Frauen in ihrer Kindheit strafbare sexuelle Kontakte erlebt hatten, als man bisher angenommen hatte.
Kinsey und seine Mitarbeiter wollten die - teilweise durchaus auch strafbaren - "sexuellen Spiele der Pubertätszeit" bei dieser Frage ausschließen und deshalb wurden nur Erlebnisse gezählt, bei denen
Tabelle 3 zeigt die Formen de sexuellen Annähreung bzw. Kontakte, die die von Kinsey u.a. befragten Frauen in ihrer Kindheit erlebt hatten:
Art des Kontaktes Prozent nur Annäherung 9 Entblößung der männlichen Genitalien 52 Entblößung der weiblichen Genitalien 1 Streicheln, ohne genitalen Kontakt 31 Manipulation an den weiblichen Genitalien 22 Manipulation an den männlichen Genitalien 5 oraler Kontakt, weibliche Genitalien 1 oraler Kontakt, männliche Genitalien 1 Koitus 3 Anzahl der Fälle 1075