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Rind B., Bauserman R.

Eine Einschätzung der Folgen von Sexualität mit Erwachsenen für die Nichterwachsenen in der Allgemeinbevölkerung

in: Bernard (ed.) Pädophilie ohne Grenzen, Foerster, S. 213-234 (1997)

Methoden

Die Literatur wurde überprüft auf alle verfügbaren Berichte von Collegestudenten, die als Minderjährige Sexualkontakte zu Erwachsenen hatten. Die EDV-gestützte Suche benutzte PsychLit-Daten der Jahre 1974-1986 und 1987-1993, als Schlagwörter wurden "sexueller Mißbrauch", "Kinder" oder "Jugendliche" eingesetzt. Außerdem wurden die internationalen Dissertations-Abstracts der Jahre 1984-1993 mit denselben Schlagwörtern durchsucht.

Collegestudien wurden in die vorliegende Übersich aufgenommen, wenn sie folgende Kriterien erfüllten:

  1. Befragung sowohl männlicher als auch weiblicher Studenten;
  2. einen Maßstab für psychische oder verhaltensmäßige Folgen;
  3. Unterscheidung der Ergebnisse zwischen Männern und Frauen.

Aufgrund dieser Kriterien wurden neun Collegestudien gefunden.

Ergebnisse

Kurzzeitfolgen nach eigenen Angaben

Die Reaktion der Studenten zur Zeit der frühen sexuellen Erfahrungen reicht von positiv bis negativ. Fünf Studien enthielten Aufschlüsselungen dieser Reaktionen. In all diesen Studien reagierte nur eine Minderheit der jungen Männer negativ: 38% (Finkelhor 1979), 30% (Goldman & Goldman 1988), 46% (Landis, 1956), 45% (O'Neill, 1990) und 8% (Schulz & Jones, 1983). Diese Ergebnisse stehen im Gegensatz zu den negativen Erstreaktionen der jungen Frauen, die in diesen Studien jeweils 66%, 68%, 76%, 82% und 52% betrugen. Der nicht gewichtete Durchschnitt der Erstreaktionen von jungen Männern lautet: 33% negativ und 67% neutral oder positiv. Bei Frauen war die durchschnittliche Reaktion zu 69% negativ und zu 31% neutral. Diese Ergebnisse sind denen von Baker & Duncan (1985) bemerkenswert ähnlich: 37% negativ und 63% nicht negativ bei Männern, 64% negativ und 36% nicht negativ bei Frauen. Die Ergebnisse deuten demnach auf einen durchgehenden Geschlechtsunterschied hin: zwei Drittel der Männer reagieren nicht negativ, aber zwei Drittel der Frauen reagieren negativ. []

Langzeitfolgen nach eigenen Angaben

Nach dem gleichen Muster wie bei den Kurzzeitreaktionen wurde erfragt, wie die Studenten zum Befragungszeitpunkt ihre früheren Erlebnisse empfanden. Aktuelle positive Empfindungen waren bei Männern häufiger als bei Frauen. und negative Empfindungen bei Frauen häufiger als bei Männern. Bei Fischer (1991) schätzten 28% der Männer ihr Erlebnis, aber nur 5% der Frauen. Bei Haugaard & Emery (1989) bewerteten 33% der Männer das Erlebnis als sehr positiv, aber nur 4% der Frauen. In O'Neills (1990) Studie empfanden 56% der Männer ihre frühen Erfahrungen als neutral oder positiv, aber nur 31% der Frauen. In der Studie von Schulz & Jones (1983) hielten 91% der Männer ihr Erlebnis für positiv oder neutral, aber nur 53% der Frauen. Sowohl Finkelhor (1979) als auch Goldman & Goldman (1988) kamen zu dem Ergebnis, daß die typische männliche Reaktion die neutrale war, die typische weibliche Reaktion aber die negative. Fritz et al. (1981) stellten fest, daß nur 10% der Männer, aber 23% der Frauen über Probleme aufgrund ihrer früheren Erfahrungen berichteten. Nach Landis (1956) gaben 0% der Männer, aber 3% der Frauen eine bleibende Schädigung an.

Standardisierte Messmethoden

[] Verglich man die Kontrollgruppe mit einer breit angelegten Gruppe von Mißbrauchten (zu der auch Personen gehörten, die sowohl gegenwärtig als auch früher ihre Erlebnisse als "sehr positiv" bewertet hatten), so wurden kaum Unterschiede gefunden. Wurde Mißbrauch eng definiert, um Personen mit positiver Reaktion auszuschließen, so ergaben sich mehr Unterschiede, und das Ausmaß des Unterschieds nahm zu. []

Zusammenfassend kann man sagen, daß wenige oder gar keine Unterschiede zwischen "mißbrauchten" und "nichtmißbrauchten" Collegestudenten gefunden wurden. Wenn Unterschiede auftreten, sind sie normalerweise gering und beziehen sich nur auf einige wenige von vielen Merkmalen. Die Studie von Haugaard & Emery (1989) deutet darauf hin, daß diese Unterschiede den Personen mit negativer Reaktion zugeschrieben werden können.

Schlussfolgerungen

[] Die Ergebnisse deuten darauf hin, daß:

  1. klinische Daten nicht verallgemeinerbar sind, sondern nur die negativen Extreme der Gesamtgruppe charakterisieren,
  2. die "positiven" an Freiwilligen gewonnenen Ergebnisse ebenfalls nicht representativ sind,
  3. die Mehrheit der jungen Männer nicht negativ reagiert, während die Mehrheit der jungen Frauen negativ reagiert, was bedeutet, daß man von den Reaktionen der Mädchen nicht auf die Reaktionen der Jungen schließen darf.
  4. eine dauerhafte Schädigung bei beiden Geschlechtern selten auftritt.

Die Punkte 1, 3 und 4 sind besonders deshalb von Bedeutung, weil sie den heute in der westlichen Welt vorherrschenden Vorstellungen über das Wesen und die Folgen von Sexualität zwischen Erwachsenen und Nichterwachsenen deutlich widersprechen.