Tatsaechlich ist der Besitzanspruch von Eltern gegenueber ihren Kindern einer der Hauptgruende, warum letzteren in grossen Teilen der Bevoelkerung die Bestimmung ueber einen autonomen Emotional- und Sexualbereich untersagt wird.
Viele Eltern, vor allem in provinziellen, konservativen und puritanischen Gesellschaften oder Gesellschaftskreisen, sehen ihre Kinder als Besitz an, als lebende Symbole ihrer Potenz, ihres Geldes, ihrer Macht. Die Kinder sind ihnen unterworfen. Nur in rudimentaeren und unbedeutenden Bereichen wird ihnen ein eigener Wille zugestanden. Der Gedanke, dass ihre Kinder einen eigenen Sexualbereich haben und das Recht, sich darin zu betaetigen, erscheint solchen Eltern als empoerend, ja als die Opposition selbst. Die Abwehr gegen einen derartigen Affront auf ihren Macht- und Besitzanspruch wird von ihnen hinter den bekannten Leerformeln einer alten patriarchalischen, repressiven und lebensfeindlichen Moral versteckt. "Kinder sind sexuell unschuldig", wird da behauptet, "Kinder sind naiv", heisst es, "Kinder lassen sich zu allem verfuehren", wird vorgebracht, "das Kind wird durch sexuelle Annaeherung traumatisiert", wird da einfach unterstellt, "sexuelle Betaetigung hindert die Kinder am Lernen", heisst es gar entgegen aller sexualwissenschaftlichen Erkenntnis. Obwohl die These von der sexuellen Unschuld des Kindes in Europa erst mit der Industrialisierung (ab dem 17.Jahrh.) aufkam und inzwischen laengst empirisch widerlegt wurde, spukt sie noch immer in den Koepfen vieler Eltern, Erzieher und Politiker herum. Eine kurze Analyse der immer wieder ohne Ueberlegung verwandten Begriffe "unschuldig", "naiv" und "verfuehren" soll deutlich machen, wie wenig sie mit dem zu tun haben, was wir unter "Paedophilie" verstehen.
Unschuldig bedeutet "ohne Schuld". Ohne welche Schuld? Etwa ohne die Schuld, die man durch sexuelles Verlangen oder sexuelle Betaetigung anf sich laedt? Da ist der Schuldbegriff der christlichen Kirche, der die menschliche Sexualitaet als etwas Schmutziges (Erbsuende), als eine koerperliche Schwaeche des Menschen abtut. Diese Anschauung ist so grausam und lebensverachtend, dass hier nicht naeher auf sie eingegangen wird. Es genuegt festzustellen, dass der Begriff "unschuldig" in bezug auf das SExualleben von Kindern nicht auf wissenschaftlich-empirischer Grundlage ruht, sondern allein aus der sexualfeindlichen christlichen Morallehre heraus definiert ist.
Was heisst naiv? - Heisst dies, dass Kinder erst vom Moment der sogenannten "Aufklaerung" an wissen, was Sexualitaet ist? Naiv sind die Eltern, die das glauben! Sie sind auch in einer gewissen Weise unkultiviert. Denn sie nehmen an, dass erst die Kenntnis um den Akt und seine Folgen (Emfpaengnis etc.) sexuelles Verhalten ermoeglicht. Welch eine Barbarisierung einer ganzen Welt aus Zaertlichkeit, Phantasie und Spiel! Das Kind ist insoweit naiv, als es - glueckliches Wesen - eine solche verengende, alles auf einen Akt reduzierende, dumme und konsumistische Anschauung der Sexualitaet nicht kennt.
.... Sexualitaet, in diesem umfassenden Sinne ist das Vergnuegen der Koerpererfahrung (body pleasure), ist taktile Stimulation und beim Kind von Geburt an vorhanden - moeglicherweise gar schon beim Foetus, wie neuere Forschungsergebnisse anzeigen. Je nach den politischen und oekonomischen Erwartungshorizonten einer Gesellschaft wird jedoch die Kindersexualitaet auf dem Wege der Moralerziehung mehr oder weniger im Keime erstickt, unterdrueckt, reguliert, gemassregelt oder totgeschwiegen.
Das natuerliche, noch unverformte Kind ist aller Art von Zaertlichkeit gegenueber hoechst aufgeschlossen, weil es sie zu seiner gesunden Entwicklung dringend benoetigt. Dieses Verlangen nach Zaertlichkeit und Hautkontakt umfasst selbstverstaendlich und gerade auch die Geschlechtsteile. Denn dort hat die Natur die sensibelsten Erregungs- und Stimulationszentren angelegt.
.... Das Kind ist sexuell naiv nur dann, wenn ihm von Erwachsenenseite durch Gewalt und Zwang die Erforschung seiner natuerlichen Koerperfunktionen partiell unmoeglich gemacht wird. Das unreglementierte Kind ist natuerlich und sexuell erfahren, weil es seinen Koerper so nimmt und akzeptiert, wie er ist und Freude mit ihm hat. Dazu gehoert auch der Kontakt mit anderen Koerpern, sich stimulieren zu lassen von Menschen, die man angenehm findet, und diese zu stimulieren. Um sich gegenseitig Freude zu machen. Um Liebe zu geben und zu nehmen. Dabei ist es fuer das Kind lediglich eine Frage von Wahl und Opportunitaet, ob es sich sexuell mit kindlichen oder erwachsenen Partner vergnuegt.
Der Begriff "Verfuehrung" impliziert die Vermutung einer voelligen Passivitaet und sexuellen Unzurechnungsfaehigkeit des Kindes, eines totalen Fehlens von Persoenlichkeit und eigenem WIllen. Welch zynisches unnatuerliches Denken! Welche Verkennung und Nichtachtung der Person des Kindes! Selbstverstaendlich waehlt das Kind, unterscheidet es zwischen angenehm und unangenehm, zwischen stimulierend und abstossend; es weiss, was es will und nicht will. Und es ist in der Lage, diesen Willen zu aeussern. Ob das nun die Nahrung betrifft, die Spielzeuge, die Kleidung, seine Freunde und eben auch - seine Sexualpartner und seine bevorzugten Sexualspiele. Das Alter der Sexualpartner ist fuer das Kind von untergeordneter Bedeutung. Es waehlt nach seinen eigenen Kriterien aus, die da sind (zum Beispiel):
"Dieser Mann (diese Frau) ist nett. Er (sie) schlaegt Kinder nicht. Er (sie) spricht freundlich mit mir. Er (sie) hat Geduld mit mir. Er (sie) sieht angenehm aus. Er (sie) riecht gut. Er (sie) hat schoene weiche Haende und eine sanfte Stimme. Er (sie) fasst mich nie grob an. Es tut wohl, wenn er (sie) mir uebers Haar oder den Popo streichelt. Er (sie) liebt meinen Koerper. Er (sie) ist sehr zaertlich, wenn er (sie) mich kuesst."
Dies denkt oder fuehlt das Kind, bewusst oder unbewusst. Und das Kind ist entweder einverstanden oder nicht, Zaertlichkeiten bis zu dem oder dem Punkt mitzumachen oder gar zu initiieren. Im uebrigen ist es neugierig. Und manchem Kind macht es Freude, dem sexuellen Verlangen eines Erwachsenen nachzugeben, wenn es diesen wirklich mag, weil es stolz ist, dass es mit seinem Koerper so viel geben kann. In solchen Momenten hat das Kind wirkliche Macht ueber den Erwachsenen. Wer liebt, will geben. Und er wird nur dann gluecklich sein, wenn er dazu auch in der Lage ist. Das gilt fuer Erwachsene und Kinder ohne Unterschied.
.... Waehrend in der Sexualbeziehung unter Kindern durchaus starke Lust- und Befriedigungsmoeglichkeiten vorhanden sind, kann der paedophile Erwachsene, durch seinen Vorsprung an menschlicher Reife, dem Kind eine emotionale Erfahrung vermitteln, die es mit anderen Kindern in dieser Weise nicht machen kann. Die Vorstellung der Sexualitaet als Ausdruck irgendgearteter Akte ist der wahren paedophilen Beziehung fremd. Vielleicht liegt hier der Hauptunterschied des Paedophilen zum Kriminellen, der Kinder vergewaltigt, indem er sie aufgrund ihrer koerperlichen Unterlegenheit als leicht fuegliche Opfer seiner in Aktvollziehung erstarrten Sexualfunktion gebraucht. Eine Depoenalisierung der Sexualitaet mit Kindern hat mit diesem Teil der Kriminalstatistik nichts, aber auch nicht das Geringste, zu tun.
Es seien hier nur ein paar der vielfaeltigen Formen von Zaertlichkeit genannt, die in der paedophilen Beziehung den Bereich der Sexualitaet ausmachen: Das Ertasten, Erfuehlen, Erstreicheln jeder Kleinigkeit des kindlichen Koerpers mit den Haenden. Das Riechen, Kuessen und Liebkosen mit der Zunge. Das Kuessen ueberhaupt. Das ungehemmte Sich- Betrachten. Der zaertliche DIalog. Das Einschlafen in enger Umarmung, das Miteinander-Baden. Und schliesslich die Beruehrung und Befriedigung der GEschlechter mit dem Mund und den Haenden oder die Herbeifuehrung des Orgasmus durch die aeusserliche Beruehrung der Geschlechtsorgane (Reiben etc.). Keine Gewalt, keine Verfuehrung, kein besitzendes Konsumieren, sondern ganz natuerliche Ausfuehrung schoener Kontaktmoeglichkeiten zwischen Erwachsenen und Kindern oder zwischen Kindern untereinander.
.... Die freie Sexualitaet unter Kindern ist fuer deren gesunde emotionale Entwicklung von entscheidender Bedeutung. Was hat das TAbu ueber der Kindersexulalitaet in unseren westlichen Industriekulturen stattdessen hervorgebracht? Kinder, die sich balgen, schlagen, sich anschreien, auf sich schiessen, die ruede Sportarten betreiben, bei denen es nur auf Brutalitaet und egoistischen Vorteil ankommt. Oder - bei den Maedchen - das Spielen in einem Elfenbeinturm aus sesexualisierten Puppen, KLeidchen und Stricknadeln. Kastratenspiele ohne Entdeckungsmoeglichkeiten des eigenen Koerpers oder der der Spielgefaehrten. Die Spielzeugindustrie hilft fleissig dabei mit, schon bei Kleinkindern eine generelle Objektfixierung auszuloesen, die die Grundlage fuer den spaeteren materialistischen und konsumistischen Charakter bildet.
Nur Kinder, die gelernt und selbst erfahren haben, dass die schoenste Form des Miteinanderumgehens die der Zaertlichkeit ist und dass sich damit Welten der Phantasie, des Spiels und der Befriedigung erschliessen lassen, werden spaeter nicht aggressiv und gewalttaetig sein. Die werden auch nicht fuer uebermaessigen Konsum, noch fuer Alkohol- oder Drogenmissbrauch anfaellig sein, denn sie brauchen diese ERsatzbefriedigungen nicht. Sie wissen, sich auf natuerliche und unschaedliche Weise sexuelles Vergnuegen zu verschaffen.
Es gibt keinerlei rationale Gruende gegen ein freies Sexualleben der Kinder. Nur Kinder, die frei und eigenverantwortlich ihre Sexualitaet ausueben konnten, werden sich zu unabhaengig denkenden und handelnden Menschen entwickeln.
All dies setzt voraus - wir erwaehnten es bereits - , dass Eltern lernen, ihre Kinder nicht als Besitz anzusehen, sondern als selbstaendige Personen mit einem eigenen Leben, einem autonomen Willen, eigenen Koerperfunktionen, eigenen Wuenschen und Neigungen. Nur Kinder, die diesen Respekt vor ihrer Person genossen haben, werden spaeter einmal in der Lage sein, an einer Gesellschaft mitzubauen, die weniger Gewalt, Aggression, Unterdrueckung, Folter und Ungerechtigkeit kennen wird als unsere jetzige Welt. Gluecklicherweise ist die Zahl der Eltern im steigen begriffen, die die geistigen und koerperlichen Interessen ihrer Kinder achten und foerdern. Zwischen solchen Eltern und einem paedophilen Freund ihres Kindes kann sich eine zum Wohle des Kindes aeusserst fruchtbare Interessengemeinschaft entwickeln.
Aus alledem ergibt sich, dass der Paedophile Politik betreibt. Denn er muss in Opposition sein zu seiner Gesellchaft, die - in ihrer generellen Tendenz - die Kindersexualitaet weiterhin aufs heftigste bestreitet und jeder aktiven Fuersprache in Richtung einer sexuellen Befreiung des Kindes mit Aggression und Gewalt begegnet. Erziehung ist deshalb auch Politik, da sie auf das Aussehen der zukuenftigen Welt Einfluss nimmt. Und der Paedophile ist zwangslaeufig mit Erziehung konfrontiert, sei es angesichts seiner LIebespartner (durch direkten Einfluss auf die Kinder oder indirekt auf deren Eltern), sei es die freie sexuelle Erziehung seiner eigenen Kinder, seien es seine Plaene und gesellschaftlichen Aktivitaeten fuer eine Umstrukturierung der Kindererziehung im allgemeinen.
Daher wird der Paedophile vor allem von konservativ-restaurativen Seiten der Gesellschaft Repressionen ausgesetzt sein oder gar offener Gewalt begegnen. Er ist gezwungen, in vielleicht noch hoeherem Masse, als es die Vertreter anderer sexueller Minoritaeten immer mussten (allen voran die Homosexuellen), gegen den Konservativismus in der Politik, gegen Repression und esklavistische Tendenzen in der Kindererziehung anzukaempfen. So lange Kinder "Besitz" der Eltern sind, greift der Paedophile, der sich fuer ein "fremdes" Kind interessiert, notwendigerweise diesen Besitz an und stellt damit das Besitzdenken als solches in Frage.
Der Paedophile tritt letzten Endes fuer eine neue Gesellschaft ein, die kommen muss und kommen wird. Er vertritt einen Hauptaspekt dieser neuen Gesellschaft: eine freie und nur auf Zaertlichkeit und gegenseitigen Respekt gegruendete Sexualitaet zwischen Partnern jeden Alters, jeder Hautfarbe und jedes Geschlechts.
Fuer dieses Ziel sollte der Paedophile auch oeffentlich eintreten. Denn er vertritt ein Ideal, fuer das sich zu kaempfen lohnt. Er muss Gleichgesinnte um sich sammeln, organisieren und Einfluss nehmen auf breitere Kreise der Gesellschaft. Auf dass der Misshandlung, Schaendung, Folterung oder einfach der so haeufigen Ignorierung von Kindern auf dieser Welt ein Ende gesetzt wird!"