Altrogge fand 1974 in Kiel unter 70.000 Blutentnahmeprotokollen 671 Untersuchungsprotokolle, die Sexualstraftäter und 20, die Vergewaltigungsopfer betrafen und wertete sie statistisch aus. Er wollte herausfinden, ob die Sexualdelikte besonders häufig unter Alkoholeinfluß begangen werden. Nun weiß man zwar, daß bei Sexualdelikten nur in auffälligen Fällen Blutproben entnommen werden und so dürften Altrogges Ergebnisse eher etwas zu niedrig liegen. Lobenswert ist an dieser Arbeit, daß die Anteile der einzelnen Sexualdelikte an den gesamten "Delikten unter Alkoholeinfluß" in Beziehung gesetzt wurde zu der allgemeinen Verteilung der Kriminalität.
Altrogge stellte fest: "Während die Sexualdelikte nur 3,3% der Gesamtkriminalität (ohne Verkehrsdelikte) ausmachen, ist der Anteil der Sexualstraftäter unter Alkoholeinfluß an allen kriminellen Delikten unter Alkoholeinfluß mit 8,8% fast dreifach so hoch. Dies wird als Affinität zwischen Alkoholeinfluß und Sexualdelinquenz interpretiert." (S. 73. Im Gegensatz zu dem folgenden Zitat ist hier der Prozentsatz der Sexualstraftäter unter Alkoholeinfluß bei allen angezeigten Delikten gemeint.) Die Sexualtäter haben mit ihrem Anteil von 8,8% an den gesamten alkoholisierten Tätern also ein Plus von 5,5% gegenüber ihrem Anteil an der allgemeinen Kriminalität, wenn der Alkohol außer acht gelassen wird.
Insgesamt wurde allerdings bisher der Einfluß des Alkohols auf das kriminelle Verhalten von Sexualtätern überbewertet. "Bei den polizeilich ermittelten Sexualstraftätern im erfaßten Zeitraum zwischen 1954 und 1964 ist der Anteil der alkoholbeeinflußten erheblich niedriger, als bisher in der Literatur angegeben wird. Er liegt insgesamt bei etwa 4,5%. Wegen des gestiegenen Alkoholkonsums läßt sich heute eine gewisse Erhöhung, schätzungsweise auf 6% bis vielleicht sogar 8% vermuten. Dabei treten erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Sexualdelikten auf. So liegt der Anteil unter Alkoholeinfluß stehender Straftäter bei der Notzucht mindestens bei 13% (bis geschätzt maximal bei 20%), bei den Exhibitionisten mindestens bei 8% (bis geschätzt maximal bei 15%), bei den Homosexuellen etwa bei 5% und bei den Pädophilen bei 2,1%.
Unter den sexuellen Gewalttätern ist altersmäßig der jüngere, erwachsene Vergewaltiger differenzierbar, der noch häufiger unter Alkoholeinfluß steht als der durchschnittliche Vergewaltiger. 57% der alkoholisierten Vergewaltiger waren bei Altrogge zwischen 21 und 29 Jahre alt. Bei der Totalerhebung in Niedersachsen waren 39,3% der wegen Vergewaltigung beschuldigten zwischen 21 und 29 Jahre alt. Das bedeutet, daß diese Altersgruppe bei den alkoholisierten sexuellen Gewalttätern um etwa 17% überrepresentiert ist.