[...] Juristen [stellten sich] schon [...] im 19. Jahrhundert die Frage, was den [...] eigentlich das gesch�tzte Rechtsgut sei. Entsprechend der Abtrennung von den allgemeinen Bestimmungen gegen sexuelle Gewalt wurde argumentiert, da� der Schutz von Kindern in diesem Bereich andere Gr�nde h�tte als der Schutz von Erwachsenen. Bef�rchtet wurde zun�chst in erster Linie eine Sch�digung des 'reifenden K�rpers' des Kindes:
" Bis zu ihrem zw�lften Lebensjahr werden die Kinder gesch�tzt um ihrer k�rperlichen Unreife willen. In diesem Lebensalter sind es die besonderen k�rperlichen Sch�den, die die Unzucht nach sich zieht, und an die der Gesetzgeber wohl in erster Linie dachte ..." (Aaron, 1910, S. 6-7 - referiert die Auffassung in der Mitte des 19. Jahrhunderts)
Das 20. Jahrhundert stellte dieser rein k�rperlichen Sch�digung dann die geistig-sittliche an die Seite.
"Denn aus zwei Gr�nden ist die Jugend zu sch�tzen. Sie ist k�rperlich noch unentwickelt, und die Vollziehung geschlechtlicher Akte f�hrt oft nachhaltige Sch�den herbei; sie ist aber auch sittlich unreif und wird durch vorzeitiges Anreizen der geschlechtlichen Empfindungen in ihrer sittlichen Entwicklung gehemmt und abgelenkt." (Aaron, 1910, S.8)
Das traditionelle juristische Modell, das �berhaupt erst zur Entstehung eines besonderen Tatbestandes f�hrte, geht von der Aufgabe des Sexualstrafrechts aus, eine spezielle sittliche Ordnung zu gew�hrleisten; Fragen der Pers�nlichkeitsrechte der Normadressaten (wie das Selbstbestimmungsrecht) spielen hier so gut wie keine Rolle. Sexualkontakte zwischen Erwachsenen und Kindern sind danach zu unterbinden, weil sie langfristig negative Folgen f�r die Sittlichkeit der Gesellschaft haben:
"Das feinere, ausgebildete Denken aber erkennt daneben, da� auchdie sittliche Sph�re des Kindes der Beachtung bedarf: trotz etwaiger eben eingetretener Mannbarkeit ist das Kind als solches zu sch�tzen, damit es nicht sittlich verdorben werde und nicht als Erwachsener unf�hig sei, die sittliche Ordnung einzuhalten." (Mittermaier, 1906, S.114-115)
Aus diesem Bem�hen, Kinder in die sexuelle Ordnung der Gesellschaft zu integrieren, entstand schlie�lich das Rechtsgut der "ungest�rten sexuellen Entwicklung", das auch bei der Erstellung der heute noch g�ltigen Fassung des Sexualstrafrechts vom Gesetzgeber als zentral angesehen wurde:
"... so kann das fr�he Erleben einer sexuellen Handlung dennoch wenigstens einen ausl�senden Faktor f�r die ung�nstige Entwicklung bzw. eine zus�tzliche Gef�hrdung bedeuten, die wegen des hohen Risikos nicht hingenommen werden darf." (Sonderausschu�, 1972, S.35*)
Bis heute dominiert dieser Topos bei der Begr�ndung aller Minderj�hrige betreffenden Tatbest�nde des Sexualstrafrechts in den einschl�gigen StGB-Kommentaren (Lackner 1991; Lenckner, 1991; Dreher/Tr�ndle, 1991) ebenso wie im Entwurf des Gesetzgebers zum neuen Par. 182.
[...] Grund f�r die Ablehnung dieser Kontakte ist somit eine aus dem 19. Jahrhundert stammende Kausalthese �ber die sexuelle Normalentwicklung des b�rgerlichen Individuums und Ereignisse, die notwendig zu dessen St�rung f�hren. Eine Normbegr�ndung, die mit Behauptungen �ber Lebenssachverhalte operiert, sich gleichzeitig aber jeder empirischen �berpr�fung entzieht, ist beim seit den Strafrechtsreformen der sozial-liberalen Koalition herrschenden Stand der Rationalit�t und Verwissenschaftlichung der Gesetzgebung (vgl. Lucke, 1988, S. 132 und Schetsche, 1990, S. 248) mehr als problematisch.
* Eine Feststellung, die - wie Dannecker (1987) in seiner Analyse des damaligen Entscheidungsprozesses zeigt - im Gegensatz zur fast einhelligen Auffassung der angeh�rten Fachleute stand.