Wissenschaftlich und systematisch verfolgt wurde das Schicksal von getrennt aufgewachsenen eineiigen Zwillingen unter anderem von einem Psychologenteam an der University of Minnesota. Inzwischen haben die Wissenschaftler 110 eineiige und 27 zweieiige Zwillinge zusammengef�hrt, und immer wieder wiederholte sich die Geschichte von der frappierenden �hnlichkeit, obwohl die Lebensl�ufe und Lebenshintergr�nde meist sehr verschieden waren. Die Psychologen konnten feststellen, da� folgende Pers�nlichkeitseigenschaften bei eineiigen Zwillingen deutlich erblich bedingt sind:
Intelligenzquotient, Religiosit�t, Alkohol und Drogenmi�brauch, Kriminalit�t, Jobzufriedenheit, Depression, Frohsinn, Risikofreudigkeit, Neurotizismus, Wohlbefinden, Selbstkontrolle, Selbstakzeptanz, Extraversion, Autorit�tsgl�ubigkeit. (S. 43) Neben der Zwillingsforschung sind Studien mit adoptierten Kindern eine zweite Quelle, um die Erblichkeit bestimmter Eigenschaften zu �berpr�fen. Alle diese Studien konnten immer wieder belegen, da� genetisch nicht miteinander verwandte Adoptivgeschwister, die in derselben Familie aufwachsen, sich v�llig unterschiedlihc entwickeln. Die gemeinsame Umwelt und Erziehung ist weniger einflu�reich, als es die genetischen Anlagen sind. Eine dieser Adoptionsstudien soll hier als Beispiel f�r viele andere beschrieben werden. Sie wurde von d�nischen Wissenschaftlern durchgef�hrt, die kl�ren wollten, inwieweit kriminelles Verhalten durch eine ver�nderte Umwelt vermieden werden kann bzw. ob auch f�r Kriminalit�t genetische faktoren eine Rolle spielen. (S.44)
F�r diese Studie wurden alle 1953 zur Adoption freigegebenen Junge sowie deren leibliche und Adoptivv�ter erfa�t. Forschungsschwerpunkt war die Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen einer eventuellen kriminellen Entwicklung dieser Jungen und der Kriminalit�t ihrer biologischen V�ter oder ihrer Adoptivv�ter? Das Ergebnis war eindeutig:
Kriminalit�t scheint also, wie so manche andere Verhaltenseigenschaft, nach dieser Studie bis zu einem gewissen Grad erblich zu sein.
"Wir wissen inzwischen" schreibt der Sozialpsychologe Martin Seligman, "da� unsere Pers�nlichkeit ... sehr viel mehr Produkt unserer Gene ist, als wir noch vor einem Jahrzehnt geglaubt h�tten". (S. 4)
Auf die Frage "Warum?" kann es also keine eindeutige Antwort geben. Die Meinung, man k�nne diese Antwort allein in der fr�hen Kindheit finden, hat sich als falsch herausgestellt. Eine Erkenntnis nach 100 Jahren Psychotherapie besteht f�r Martin Seligman darin, "da� zufriedenstellende Antworten auf die gro�en Warum-Fragen nicht einfahc zu finden sind; vielleicht sieht die Lage in 50 Jahren anders aus, vielleicht auch nie." (S.243)
Auf jeden Fall, so lautet sein Ratschlag, sollten wir allen Versuchungen widerstehen, allzu einfache Erkl�rungsmuster nach dem Motto: "Weil mir das und das zugesto�en ist, leide ich heute ..." auf den Leim gehen. Vor allem unsere Aha-Erlebnisse sollten wir skeptisch betrachten: "Wenn Sie die heftigen Gef�hle ausgraben, die Sie an ihrem ersten Tag im Kindergarten empfanden, glauben Sie blo� nicht Sie h�tten jetzt die Ursache daf�r gefunden, da� Sie Zeit Ihres Lebens unter Verlassenheits�ngsten leiden. Der kausale Schlu� kann eine Illusion sein."