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Burton L.

Vulnerable Children. Three Studies of Children in Conflict: Accident Involved Children, Sexually Assaulted Children and Children with Asthma

Liverpool, London, Prescot (1969)

aus Baurmann 1983, S. 114 f

Linda Burton, die aus methodischen �berlegungen heraus, den Aussagewert ihrer retrospektiven Studie sehr vorsichtig bewertet sehen will, gibt sich im Vergleich zu vielen anderen Autoren au�erordentlich bescheiden. Zur Bescheidenheit besteht f�r sie jedoch nur ein Anla�, wenn man ihre Untersuchung an den heutigen methodischen M�glichkeiten und Idealforderungen mi�t. Wenn man ihre Arbeit jedoch vergleicht mit den vielen Ver�ffentlichungen und Aussagen, die es �ber Ausma� und Ursachen von Sch�den bei strafberen Sexualkontakten von anderen Autoren gibt, dann mu� man sagen, da� sie - bereits 1964 - eine hervorragende Dissertation vorlegte. Leider wurde diese nordirische Studie bisher bei viktimologischen und Strafrechtsreformdiskussionen zu wenig bzw. gar nicht ber�cksichtigt.

Burton hatte in einer Panel-Studie 41 Opfer (35 weiblich, 6 m�nnlich) von abgeruteilten bzw. deklarierten Sexualkontakten einmal zwischen 1961 und 1963 und zum anderen zwischen 1962 und 1964 untersucht.

Zwischen den beiden psychodiagnostischen Untersuchungen an den kindlichen deklarierten Opfern lag jeweils ein Jahr. Damit versuchte Burton, die Langzeitwirkung des Delikts auf das deklarierte Opfer in den Griff zu bekommen. Weiterhin verglich die Autorin die Opfer-Gruppe mit einer Kontrollgruppe, die nach mehreren Kriterien analog ausgesucht wurde.

Schlie�lich verglich sie noch die Gruppe der deklarierten Sexualopfer mit zwei anderen Gruppen gesch�digter Kinder, n�mlich mit Verkehrsopfern und Asthmatikern. Burton interviewte die deklarierten Sexualopfer mit einem Fragebogen, der 57 Fragen mit offenen Antworten enthielt, sie lie� das Sozialverhalten der Probanden in der Schule beurteilen und f�hrte jeweils drei psychodiagnostische Tests durch: The Bristol Social Adjustement Guide, den TAT und The Parent Attitude Research Instrument.

Die Sexualkontakte, die die von ihr untersuchten Kinder erlebt hatten, entsprechend in der Verteilung etwa den verurteilten Handlungen aus anderen, vergleichbaren Arbeiten:

Tabelle 8:

Art des Sexualkontakts (bei Burton)                   Anzahl
------------------------------------------------------------
versuchte oder vollendete Vergewaltigung                 2
unsittlicher Angriff                                    11
Anleitung zur Masturbation                               2
Entkleiden des Kindes                                    2
homosexueller Kontakt                                    6
unsittliche Ber�hrung                                   19

Die wesentlichen Schl�sse, die Burton in behutsamer Weise aus ihrer Untersuchung schlo�, sollen weiter unten zu Vergelichszwecken herangezogen werden.

Festzuhalten ist, da� hier eine Wissenschaftlerin schon vor etwa 20 Jahren differenzierte Methoden zur angemessenen L�sung eines dr�ngenden viktimologischen Problems einsetzte. Neuere Versuche zur Beantwortung der Frage, ob, in welchem Ausma� und wodurch deklarierte Sexualopfer gesch�digt werden, sollten sich methodologisch an einer solchen Arbeit messen.

aus Baurmann 1983, S. 182 f

Burton kam zu der Ansicht, da� psychische Sch�den bei Sexualopfern und die Kausalit�t von beobachteten Sch�den grunds�tzlich schwer festzustellen sind. Trotz dieser grunds�tzlichen Schwierigkeiten ist es aber dennoch �blich, da� Gerichte die psychischen Folgen des abzuurteilenden Sexualkontakts selbst einsch�tzen und selten einen Fachmann zur Diagnose der psychischen Sch�den heranziehen (S. 87). Stattdessen erfolgt die Beurteilung der Situation des Opfers weitgehend nach den �blichen Klischees von der kindlichen Unber�hrtheit und der Sch�ndung durch den perversen T�ter.

Burton fa�t die Ergebnisse der Follow-up-Studie folgenderma�en zusammen. Wie bei Rasmussen und Bender/Grugett werden Sexualst�rungen weitgehend als Begleiterscheinungen einer vorher schon gest�rten Sozialisation des Kindes gesehen. Diese gest�rte Sozialisation l�uft auch nach dem Delikt in vielen F�llen weiter bzw. die St�rung nimmt manchmal sogar noch zu. Die meisten der von Burton untersuchten Kinder zeigten keine Sch�den und wirkten bei den Untersuchungen sozial integriert. Die wenigen gesch�digten deklarierten Sexualopfer wirkten ganz allgemein im sozialen Bereich desintegriert.

Burton kommt weiterhin zum Ergebnis, da� strafbare Sexualkontakte zwischen Kindern und Erwachsenen keine speziellen nachteiligen Folgen f�r die weitere Pers�nlichkeitsentwicklung des Kindes haben. H�ufig seien die deklarierten Sexualopfer in solche Sexualkontakte hineingeraten, weil sie auf der Suche nach emotionaler W�rme waren. Hier sei nun auch die besondere Aufgabe der Eltern und der sonstigen n�heren sozialen Umwelt des kindlichen Sexualopfers: Durch positive(re) emotionale Zuwendung k�nnten die negativen Auswirkungen strafbarer Sexualkontakte auf das Kind weitgehend verhindert werden.