Eine Kritik der Arbeit von Theo Sandfort zu p�dophilen Beziehungen
Sachlich substanzieller (und bemerkenswerterweise darum um die H�lfte k�rzer) [als Mrazeks Kritik] ist die zweite negative Kritik, die vorgestellt werden soll. Sie stammt vom bekannten Autorengespann Masters/Johnson und beginnt mit der Bemerkung, da� die Sandfortsche Studie "viel zu w�nschen �brig lasse". Anschlie�end wird ohne Umschweife dargelegt, was die Autoren zu bem�ngeln haben, und ich werde Ihnen diese Kritik im folgenden referieren und gleichzeitig kommentieren.
Erstens: Die Untersuchungsgruppe, hei�t es, sei nicht representativ. Denn diejenigen, welche die Interview-Paare ausw�hlten, h�tten sich offensichtlich bewu�t "bessere" Paarbeziehungen ausgesucht. Was "besser" hier hei�e? wird gefragt, dann kommt die befremdliche Antwort: M�glicherweise seien das gerade solche Beziehungen gewesen, in denen die Jungen von den P�derasten schon so "eingesch�chtert" gewesen seien, da� die Angst gehabt h�tten, irgendwas gegen diese zu �u�ern. Ferner habe Sandfort nie definiert, was "negative Einfl�sse" in dem Zusammenhang eigentlich bedeuten solle, und er habe auch keine angemessenen Fragen danach gestellt, ob solche negativen Einfl�sse vorhanden seien oder nicht.
Kommentar: Der Leser kann sich leicht selbst ein Urteil bilden, da� das bekannte Autorenpaar in diesen Punkten vollinhaltlich irrt bzw. die Studie nur h�chst gro�z�gig durchbl�ttert hat. Entsprechende Fragen sind in Sandforts Konzept sehr wohl vorhanden, und angemessen sind sie auch. Zur Auswahl der untersuchten Partner hat er sich gleichfalls eindeutig ge�u�ert.
Zweitens: Ganz gegen das �bliche Verfahren bei Untersuchungen der Art seien vorher mit den Jungen keine psychologischen Tests gemacht worden, um deren emotionale Stabilit�t festzustellen; keinerlei Anstrengungen seien gemacht worden, in die Schulnoten der Betreffenden Einblick zu nehmen.
Kommentar: Tatsache ist, da� diese Zusatzinformationen nicht eingeholt wurden. Nicht stimmt, da� solche prinzipiell bei vergleichbaren Befragungen vorhanden sein m�ssen, um die Resultate als valide erscheinen zu lassen. Die Frage nach den Schulnoten scheint mir in dem Zusammenhang recht gesucht: ich pers�nlich habe nie im Leben p�dophile Beziehungen gehabt, doch meine Schulnoten waren bis zum vierzehnten Lebensjahr beklagenswert ...
Drittens: Jeder Junge sei in der Wohnung seines p�derastischen Partners und in dessen Anwesenheit befragt worden ohne R�cksicht darauf, da� die Anwesenheit des Erwachsenen den Jungen mit gro�er Sicherheit davon abgehalten haben m�sse, irgendwelche Beschwerden �ber die Behandlung durch diesen vorzubringen - und zwar aus Angst vor Strafe.
Kommentar: Auch hier sei dem Leser geraten, sich selbst ein Urteil zu bilden. [...] Nichtdestoweniger m�chte man Theo Sandfort raten, sich bei ferneren Studien einen neutraleren Ort f�r das Interview zu w�hlen, an dem auch der strengste Kritiker nichts auszusetzen finden kann; [...]
Viertens: Es sei keine Folgestudie gemacht worden, um festzustellen, was f�r langanhaltende Einfl�sse diese Beziehungen auf die Entwicklung der betreffenden Jungen genommen h�tten.
Kommentar: [...] Sandfort hat nirgends erkl�rt, eine solche nicht machen zu wollen, vermutlich bereitet er sie derzeit schon vor. Was �brigends m�gliche sch�dliche Sp�tfolgen einer Beziehung der diskutierten Art angeht, so sei hier auf die bahnbrechende, gro�angelegte Untersuchung von Michael Baurmann verwiesen, [...]
F�nftens: Nicht mal in �u�erlich intakten 25 Ehen, so vermuten die gutbeschlagenen Autoren, pflege wirklich alles in Ordnung zu sein - um wievieles mehr m�sse man das dann von solch ungleichen Beziehungen wie den untersuchten vermuten!
Kommentar: Der Vergleich zwischen einer Ehe und einer tempor�ren, nach au�en hin zur Geheimhaltung verdammten Beziehung zwischen einem Mann und einem Jungen ist unangebracht (hier soziales Normverhalten, dort tabuisierter Kontakt; hier heterosexuelle, dort gleichgeschlechtliche Sexualit�t), - au�erdem hat Sandfort nicht behauptet, da� die von ihm untersuchten Kontakte v�llig problemfrei seien, sondern er geht aufgrund der Untersuchung davon aus, da� es bestimmte Paarbeziehungen zwischen erwachsenen M�nnern und heranwachsenden Jungen gibt, durch die der betreffende Junge manches Gute erf�hrt, und zwar in einem recht weitgefa�ten Wortsinn. Die Vorstellung, menschliche Beziehungen irgendeiner Art k�nnten jemals ganz problemfrei sein, ist ohnehin illusion�r.
Sechstens: Als sozusagen Herzst�ck ihrer Kritik kommen die Autoren zu der als "fundamental" charakterisierten �berlegung, wieso Sandforts "unqualifizierter Einsatz" f�r diese Verbindungen eigentlich die Frage au�er Acht lasse, ob eine in sich mi�br�uchliche, ausbeuterische Beziehung unter irgendwelchen Umst�nden �berhaupt je "positiv" sein k�nne?
Kommentar: Hier sieht man quasi unter klinischen Laborbedingungen, wie ein Vorurteil das tut, wovon ich vorhin sprach: n�mlich wie es die eigene Analyse mit Brillianz unterl�uft. Da nach der unausgesprochen-selbstverst�ndlichen Unterstellung der Autoren jede solche Verbindung eben fraglos sowohl mi�br�uchlich als auch ausbeuterisch ist, sollte man sich in der Tat wundern, da� es Leute gibt, die da noch nach was Positivem suchen! Nein, f�gen sie dann so ehrlich wie entschieden hinzu, gleichg�ltig, was andere davon denken m�gen, wir sind gegen solche Beziehungen, und zwar egal, ob die eine oder andere Seite behaupten mag, da� positive Einfl�sse damit verbunden seien.
Siebstens: Anschlie�end wird noch einmal der an sich ja absolut akzeptable Gedanke wiederholt, es bed�rfe noch sehr viel entschiedenerer Untersuchungen, die auch jahrelange follow-up-studies einschlie�en m��ten, bevor als erwiesen gelten d�rfe, da� P�dophilie (gemeint ist P�derastie) f�r Kinder meistens harmlos oder m�gleicherweise sogar wohltuend sei. Abschlie�end betonen die Autoren, sie seien derselben Ansicht wie Suzanne Sgroi, die ihrerseits glaube, Verbindungen dieser Art seien immer negativ. Und nun folgt der bemerkenswerte Grund f�r diese Vermutung von Sgroi [...]: "Das sexuell mi�brauchte Kind braucht sich anfangs gar nicht mi�braucht zu f�hlen. Doch sobald das Kind merkt, was die Gesellschaft von dem h�lt, was er(!) getan hat, f�hlt das Kind sich betrogen. Er hat das Gef�hl, weder Erwachsenen noch Familienmitgleidern trauen zu k�nnen und entwickelt einen Sinn f�r Gefahr, die Angst, verletzt zu werden und das Gef�hl, gegen�ber vorher entwertet worden zu sein."
Kommentar: Gerade diese Zusammenh�nge hat die vorliegende Untersuchung herausgearbeitet, wenngleich nicht so krass formuliert, wie es hier in aller vorurteilshaften Unschuld naiv ausgedr�ckt wird: Es ist eben nicht die sexuelle unnd soziale Beziehung eine Jungen zu einem �lteren Partner, die den j�ngeren dazu bringt, sich mi�braucht zu f�hlen, sondern ungute Gef�hle stellen sich erst ein, sobald er feststellen mu�, wie negativ seine Umwelt darauf reagieren w�rde, wenn es nicht gel�nge, die Beziehung geheimzuhalten. Erst dann droht seitens der Umwelt die Gefahr, "als nicht mehr so wertvoll wie vorher zu gelten", dann entwickelt sich die Angst davon, "verletzt zu werden", dann geht das Vertrauen zu Eltern oder anderen erwachsenen Bezugspersonen (man denke etwa an Lehrer) verloren.
So l��t sich auch in dieser 'Begr�ndung' einer angeblich prinzipiell gegebenen 'Sch�digung' gleichsam unter klinisch sterilen Bedingungen zeigen, wie das Vorurteil sich selbst verteidigt und seine Analyse erfolgreich hintertreibt.
[aus dem Vorwort der deutschen �bersetzung von Sandforts Studie, S. 11-14]